Hermann-mit-nur-einem-Zahn

Noch mal Kleingarten. Noch mal Mast-und Schotbruch. Nach unserem oder meinem ersten Kleingartenexperiment mit Stasi-Nachbarn bin ich mit Sack und Pack, Camping-Klo und Rosen in einen anderen Garten in einem anderen Gartenverein umgezogen. Zwar gleich um die Ecke, aber mit anderem menschlichen Equipment. Zumindest auf den ersten Blick etwas netter, auf den zweiten - nun ja, manchmal sieht man nicht so klar, wenn man sich etwas sehr wünscht. 

Jedenfalls bin ich, so schnell es mir möglich war, umgezogen, mehrere Hundert Male mit meiner Schubkarre hin- und hergeeiert, um auch noch den letzten Halm Giersch in mein neues Gartenzuhause umzuziehen. Ich war hocherfreut über die freundlich grüßenden Nachbarn und die enthusiastisch grüßenden Mit-Gärtner. 

Doch über diese erste Freude und die erste Euphorie hat sich inzwischen ein Schatten gelegt, und zwar in Form von 30 alten Auto- und zwei monströsen Treckerreifen, die mir die freundliche Wegegemeinschaft in meinem Garten hinterlassen hat und nicht abtransportieren wollte.  

Ganz, ganz leise wendete sich also das Blatt und statt der herzlichen Willkommensgrüße schlug mir immer mehr Kälte entgegen, und ich vermute, es hängt damit zusammen, dass ich Hermann-mit-nur-einem-Zahn die kalte Schulter gezeigt habe.
 
Hermann-mit-nur-einem-Zahn ist sozusagen der Hauswart dieses Vereinweges und hat seinen Garten direkt neben mir und mich seinerzeit in alles, was den Gartenverein im allgemeinen und meinen Garten im besonderen angeht, eingeführt, hilfsbereit und zigaretten-verqualmt fröhlich und ziemlich neugierig. 

Das ließ sich erst mal handeln. Aber als mein Freund zum ersten Mal in meinem neuen Garten auftauchte, wollte ich Hermann-mit-nur-einem-Zahn nun partout nicht an unserer Seite haben. 

Dafür aber fehlte Hermann-mit- nur-einem-Zahn das Gespür. In weniger als drei Sekunden, nachdem mein Freund sein Auto vor dem Gartentor geparkt hatte, stand Hermann-mit-nur-einem-Zahn da und glotzte. Und wollte bei unserem Gespräch dabei sein, sich an unsere Fersen hängen, obwohl er es mit nur ein bisschen Feingefühl hätte merken können, dass wir auf seine Anwesenheit und noch weniger auf seine Kommentare keinen, keinen! Wert legten. Da ich nicht bereit, meine Zweisamkeit mit einem eher nicht so attraktiven Dritten zu teilen, wuchs etwas Kälte über den Gartenzaun. 

Seitdem hat sich aus diesem bisschen Kälte eine kleine Eiszeit zwischen uns entwickelt. Hermann-mit-nur-einem-Zahn hatte zwar kein Gespür für Intimität, aber sehr wohl ein Gespür dafür, dass er mir auf den Wecker ging - und seitdem wird jede Anfrage von meiner Seite von ihm mit den dusseligsten Entschuldigungen abgeblockt. 

Gestern kam es zu einem kleinen Eklat, als ich die 30 schäbigen Autoreifen, die sein Fahrschullehrer-Schwiegersohn herbeigekarrt hat und der seinen Garten direkt gegenüber von mir hat,  von meinem Grundstück haben wollte und Hermann-mit-nur-einem-Zahn dafür um Kooperation bat, die aber mit schnödem Verweis auf seinen kaputten Trecker abgeblockt wurde, um dann zwei Minuten später mit demselben Trecker davonzutuckern. 
 
Kalte Schulter bezahlt er mit kalter Schulter, und so geht das, was leicht gehen könnte, auf einmal gar nicht mehr.  

Mich lies das gar nicht kalt, sondern entfachte durchaus ein wütendes Feuer in mir, dass mich dazu veranlasste, die 30 blöden Reifen in Turbo-Geschwindigkeit über den Zaun auf das allgemeine Betriebsgelände zu werfen, was unangenehme Gespräche mit weiteren Gartennachbarn, die auch allesamt mit Hermann- mit-nur-einem-Zahn verschwiegest und verschwägert sind, nach sich zog. 

Seitdem überlege ich, wieder meine Schubkarre zu schnüren und es in dem nächsten Mast-und Schotbruchverein zu versuchen. Oder ich muss hoffen, dass die Dauerkippe, die offenbar an dem einen Restzahn festgeklebt ist, bald ihre Wirkung tut. Dann wird ein Garten frei.  

Marie Pé feiert JubiläuM

 

Vor 60 Jahren, 1963, begann Marie Pé eine Ausbildung zur Hauswirtschaftlerin und wurde damit in das kalte Wasser des Lebens geschubst. Das war der Auftakt zu diesem Blog. Mittlerweile sammeln sich hier auch alle möglichen skurrilen Geschichten vom Land zwischen Warburger Börde und Wattenmeer, dem besten, was "die deutsche Scholle je hervorgebracht hat."

 

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Sigrid - Schon in Jungen Jahren die Perfekte Hausfrau

Damals, als es unsere Küche noch gab in unserem Haus und mein Vater sie noch nicht zugunsten eines großzügigeren Foyers eingerissen hatte - „Keine tragende Wand. Kann raus.“ - hatten wir Besuch von wichtigen Menschen. Ich kann mich nicht mehr ganz genau daran erinnern, wer das eigentlich war, ich muss so vier oder fünf gewesen sein, aber dass sie sehr wichtig waren in den Augen meiner Mutter, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Sie kamen - falls meine Erinnerung mich hier auch nicht täuscht - umangekündigt, um unser noch recht neues Haus zu besichtigen, das mein Vater mit meinem Opa und dazugehörigen Verwandten und Freunden im Wesentlichen „in Eigenleistung“ gebaut hatte, etwas, worauf mein Vater bei all seinen Unternehmungen größten Wert legte.
Jedenfalls kamen diese Besucher, ein älteres Ehepaar, kurz nach dem Mittagessen. Mein Vater war schon wieder ins Büro gefahren, mein Bruder irgendwo, meine Mutter und ich also alleine. Es klingelte, und da standen sie und wollten endlich mal unser Haus anschauen, von dem sie schon so viel gehört hätten. Meiner Mutter muss es kalt in die Glieder gefahren sein, denn zu dieser Zeit galt ein penibel geführter Haushalt noch viel mehr als heute. Und das war etwas, worauf sie in der Regel nicht wirklich Lust hatte. Dementsprechend war sie mit dem Küchenputz noch etwas hinterher. Wir hatten uns die Zeit mit Lesen vertrieben. Und in unserer Küche stand folglich noch alles kunterbunt durcheinander, was vom Mittagessen und den Vorbereitungen dazu übrig war, insgesamt die Küche also in einem Zustand, der selbst für nicht so pingelige Geister eher unschön und wenig appetitlich war.  Meine Mutter beschwor also mich mit leisen Worten eindringlich - an ihre Not und die großen erschrockenen Augen kann ich mich noch sehr gut erinnern - , diesen Schweinestall, so gut es mir möglich wäre mit meinen fünf Jahren, irgendwie soweit in Ordnung zu bringen, dass sie nach einer Pause, in der sie das Besucherpaar im Wohnzimmer ablenken wollte, dann auch in die Küche führen könnte, ohne für immer und ewig als schmuddelige Hausfrau dazustehen.
Ich weiß nicht mehr genau, wie ich es angestellt habe. Aber ihr Auftrag war mir Befehl. Und so schob ich, während die drei im Wohnzimmer saßen und plauschten, alles, was da so im Wege stand, in die Schränke. Schmutzige Teller auf die Handtücher, dreckige Töpfe in das Geschirrfach, dreckiges Besteck zu den Gläsern, alle Schnippelreste in den Topfschrank. Es war eine Heidenarbeit. Aber irgendwann war es geschafft. Und eine Punktlandung, will ich meinen. Denn als ich mit vermeintlich entspanntem Gesichtsausdruck auf den Flur hinausschlenderte, hatten die drei sich gerade aufgemacht, ihren Gang durch das weitere Haus zu beginnen. Meine Mutter warf einen ängstlichen Blick auf mich und drückte mit noch ängstlicherem Gesicht die Klinke zur Küchentür -  und traute kaum ihren Augen, dass sie in eine, nun ja, perfekt aufgeräumte Hochglanzküche trat, in dem aber auch nicht der letzte Rest von menschlichen Leben, geschweige denn einem nicht weggeräumten Mittagessen, zu sehen war.

 

Ich glaube, sie konnte es wirklich nicht fassen, und wenn ich ehrlich bin, ich selber eigentlich auch nicht, was mir da gelungen war und ich doch was echt Gutes zustande gebracht hatte. Noch Tage später fielen meiner Mutter dann beim Arbeiten in der Küche aus den Schränken dreckige Teller entgegen, aus den Schubladen Besteck, Kartoffelschalen, Gemüseschalen und was man sonst für ein ordentliches Mittagessen für eine vierköpfige Familie braucht.

 

Alles Käse

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