Dürfen wir vorstellen: Sportart-Treppenlaufen!


Hatte ich schon erwähnt, dass mein Vater ein exzessiver Sportler war - eigentlich wusste er wohl einfach nicht wohin mit seiner Energie, schätze ich, und das übersetzte sich unter anderem in großen sportlichen Ehrgeiz. Für den heimischen Fußballclub wurde gerannt, trainiert, gesportelt, was das Zeug hielt. Ich erinnere mich dunkel, dass in den 80er sogar Programme aufgerufen wurden wie Aerobics, wo dann in enge Suite geklemmt bunte Mädchen hüpfende Übungen vorgemacht wurden und mein Vater die in seiner Trainingshose nachturnte. Skigymnastik, ich weiß nicht, was es sonst noch alles gab, wurde alles mit Handkuss genommen, um Inspiration und Gelegenheit für Fitnessanstrengungen zu finden. Man konnte ihn glücklich machen, wenn man, statt sich zu entspannen, aufstand und sich überwand, bei diesen abendlichen Fitnessaktionen „Nachholen, was man am Tag versäumt hat“, war die Devise meines Vaters, mitzumachen.
Die absurdeste dieser Übungen, aber aus Sicht meines Vaters Effektivste ,war - und darauf war er besonders stolz, diese Sportart erfunden zu haben - war das abendliche Treppenlaufen. Ja, wirklich Treppenlaufen als Sportart. Während meine Mutter, mein Bruder und ich zusammengeklemmt auf dem Sofa hockten und irgendeine Sendung vor dem Schlafengehen im Fernsehen guckten, düste mein Vater die drei Stockwerke unseres Haus in einem Affenzahn rauf- und runter, vom Keller unten bis hoch in den 1. Stock und wieder in den Keller, mindestens eine Stunde lang. Da wir Marmortreppen haben, war das mit einem ständigen Dröhnen und Poltern verbunden, das uns eher auf den Geist ging. Meine Abendstunden sind also von der Erinnerung an polternde Schiritte geprägt. Denn um den Trainingseffekt noch zu erhöhen, hatte er sich von irgendeinem seiner Kumpels oder einem Kumpel eines Kumpels, in W. kennt immer irgendeinen, der einen kennt, der was kann, extra Bleiplatten anfertigen lassen, die er in seine Schuhe legte. Mehr Gewicht, mehr Training. Wenn man während dieser Trainigsheinheiten auf den blöden Gedanken kam, aufs Klo zu gehen, musste man sich also an meinen rennenden, schwitzenden und hechelnden Vater vorbei ins obere Stockwerk quetschen, noch dazu, als wärs nicht genug, im Dunkeln. Denn wozu Licht verschwenden, wenn man seine Augen auch ein bisschen im Dunkeln trainieren kann?